Dein trojanischer Freund und Helfer
Am heutigen Donnerstag beschließt der Bundestag ein weitreichendes Überwachungsgesetz. Wir analysieren es Satz für Satz und erklären, warum es wohl verfassungswidrig ist.
Von Patrick Beuth und Kai Biermann
Zitat
Ab 16.40 Uhr soll der Bundestag am heutigen Donnerstag eine neue rechtliche Grundlage für den Einsatz von Staatstrojanern beschließen. Für das Hacken von Computern durch Deutschlands Strafverfolgungsbehörden, für das Verwanzen von Smartphones, für das heimliche Mitlesen von WhatsApp-Nachrichten.
Offiziell heißt es Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nennt es, schon etwas weniger schwammig, ein Gesetz, das den Einsatz von Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) "erlaubt, um schwere Straftaten zu verhindern." Bekannt ist es vor allem unter dem Stichwort Staatstrojaner.
Bemerkenswert ist, dass die Staatstrojaner aber gar nicht im Entwurf selbst stehen. Sondern in diesem Änderungsantrag, den die Bundesregierung selbst nachträglich als "Formulierungshilfe" eingebracht hat. Eine größere, geschweige denn öffentliche Debatte kam deshalb praktisch nicht zustande. Selbst die Bundesdatenschutzbeauftragte erfuhr erst über die Berichterstattung von netzpolitik.org davon – und war nicht amüsiert. Die Koalition hat den Änderungsantrag aber fast Wort für Wort übernommen und im Rechtsausschuss passieren lassen, sodass er heute zur Abstimmung steht.
Was eine Quellen-TKÜ beinhalten darf und was nicht
Der relevante Teil beginnt auf Seite 10 des Antrags, mit einer Ergänzung von Absatz 1, Paragraf 100a Strafgesetzbuch. Sie lautet:
Die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation darf auch in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von dem Betroffenen genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn dies notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung insbesondere in unverschlüsselter Form zu ermöglichen.
Informationstechnische Systeme mit Verschlüsselung kann alles Mögliche heißen. Die Innenminister von Bund und Ländern reden immer über WhatsApp, also Messenger-Apps, die standardmäßig eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verwenden. Aber der Satz ist so allgemein formuliert, dass er für alle elektronischen Geräte und Dienste gilt, über die jemand verschlüsselt kommunizieren kann. Auch für jene, die es noch nicht gibt.
Der zweite neue Satz in 100a Absatz 1 klingt erst einmal selbst kryptisch:
Auf dem informationstechnischen System des Betroffenen gespeicherte Inhalte und Umstände der Kommunikation dürfen überwacht und aufgezeichnet werden, wenn sie auch während des laufenden Übertragungsvorgangs im öffentlichen Telekommunikationsnetz in verschlüsselter Form hätten überwacht und aufgezeichnet werden können.
Noch einmal aufgegriffen wird das im komplett neuen Absatz 5: hier mehr dazu