Die letzte Möglichkeit
Seit zehn Jahren sind Gerhard, der Fliesenleger und die schöne blonde Erika nun schon verheiratet. Ein wunderschönes Haus im Grünen, mit offenem Kamin und Swimmingpool im Garten haben sich die Zwei gebaut. Ihre beiden, bereits schulpflichtigen Kinder, Thomas und Lena, sind ihr ganzer Stolz.
Doch seit einiger Zeit werden die Eheleute von großen finanziellen Sorgen geplagt. Gerhard ist seit neun Monaten arbeitslos. Das Arbeitslosengeld reicht nicht mehr hin und nicht mehr her. Gerade die nötigsten Lebensmittel und ein paar Kleinigkeiten für die Kinder können noch angeschafft werden. Die monatlichen Raten, die von der Bank bereits mehrmals angemahnt wurden, sind nicht mehr aufzubringen. Gerhard und Erika sind am verzweifeln.
Abend für Abend sitzen sie im Wohnzimmer, grübeln und debattieren über jede noch so kleine und verrückte Idee, die irgendwie Geld einbringen könnte. Erika ist sogar schon bereit eine Putzstelle anzunehmen, aber auch die paar Cent würden den Schuldenberg nicht reduzieren.
„Es bleibt nur noch, für uns notgedrungen, eine letzte Möglichkeit“, sagt Gerhard mit gesenktem Kopf und zitternder Stimme, „Du solltest Dir ein Herz fassen und das tun, was wir schon vor Tagen besprochen haben, Du solltest, bis ich wieder Arbeit gefunden habe, für ein paar Wochen Geld in der Stadt, mit Liebesdiensten verdienen. Kein Mensch wird es je erfahren.“
Weinend und schluchzend legt sich Erika nach diesen Worten an Gerhards Brust: „Ich weiß nicht, ob ich das kann“, sagt sie, am ganzen Körper bebend und drückt ihren geliebten Mann fest an sich.
Gerhard beruhigt sie mit tröstenden Worten, streichelt ihr zärtlich übers Haar. Nach längerem hin und her, stimmt Erika, die Notlage erkennend, nickend zu.
Schon am nächsten Abend, die Kinder sind gerade schlafen gegangen, zieht sich die reizende Blondine einen superengen Pulli und einen Minirock, der gerade mal den Slip bedeckt, an. Dann streift sie sich eine schwarze lacklederne Weste über, zieht ihre elegantesten Schuhe mit Pfennigabsätzen an, schminkt sich wie eine Filmdiva, durchkämmt ihr schulterlanges Haar, gibt ihrem geliebten Gerhard noch einen Kuss auf die Wange und steigt schweren Herzens, übernervös, ängstlich und mit traurigem Blick, das Bevorstehende vor Augen sehend, in ihren alterschwachen Kleinwagen.
Stunden vergehen, Gerhard rennt im Haus hin und her, macht sich ernsthafte Sorgen um seine Frau. „War das wirklich der richtige Weg“, denkt er, sich an den Kopf fassend; als plötzlich, es ist fünf Uhr früh, die Haustür aufgeht und seine leicht angetrunkene Erika mit zerzaustem Haar und verschmierten Lippenstift, ins Wohnzimmer stürzt und sich erschöpft in einen Sessel fallen läßt.
„Puh, ich weiß nicht, ob ich das durchhalte“, sagt sie mit lallender Stimme und streckt beide Arme über die Lehnen.
„Ach Erika, ich bin froh das Du wieder hier bist, ich hab ein richtig schlechtes Gewissen, - aber wir brauchen nun einmal dieses verdammte Geld!“
Gerhard nimmt seine Erika fest in den Arm, drückt sie an sich und küßt ihr die Stirn, dann, - nach einer kurzen Atempause, flüstert er leise: „Darf ich Dich fragen, wieviel diese Nacht für uns eingebracht hat?“
Die zierliche, blonde Schönheit kramt in ihrer Handtasche, öffnet die Geldbörse und stülpt sie auf den Tisch. „Das sind genau einhundertzwei Euro und fünfzig Cent.“
Erstaunt, mit großen Augen, blickt der Fliesenleger seine Angetraute an, schluckt einmal kräftig, überlegt und fragt dann etwas verwirrt: „Wer hat Dir denn die zwei Euro und fünfzig Cent gegeben?“
„Aber Liebster“, erwidert lapidar die Angetrunkene, „was ist denn das für eine komische Frage, - jeder natürlich!“
© Horst Rehmann