Geburtstagswunsch
Schon seit über einem Jahr, seit dem Tod seiner Ehefrau, hat der alleinerziehende Vater ständig Probleme mit seinem zwölfjährigen Sohn. Er wird in der Schule immer fauler, zu seinen Mitschülern regelrecht rabiat und zu Hause ausserordentlich herrschsüchtig.
So auch an einem Freitagnachmittag, der kleine Gernegross kommt von der Schule, knallt seine Büchertasche in die Ecke, hängt seine Jacke an die Garderobe, baut sich aufgeblasen vor seinem Vater
auf, macht ein mürrisches Gesicht und sagt dann sehr bestimmend: „Vater, in vierzehn Tagen habe ich Geburtstag, ich wünsche mir eine echte Pistole, mit der ich richtig schiessen kann!“
Entsetzt über diesen Tonfall und noch entsetzter über diesen Wunsch, entgegnet der Vater: „Bist Du jetzt total durchgeknallt, - in Deinem Alter, - eine Pistole, - das kommt überhaupt nicht in Frage.“
„Ich will aber eine, eine die richtig schiesst, mit der ich richtig ballern kann,“ schreit der Sohnemann zurück und stampft dabei gehörig auf den Boden.
Dieses ungehörige Benehmen kann und will sich der Vater nicht länger bieten lassen. Er brüllt mit hochrotem Kopf seinen Dreikäsehoch an: „Jetzt ist aber Schluss, ich will keinen Ton mehr hören, - habe ich hier zu sagen oder Du!“
Ein wenig eingeschüchtert senkt der Filius den Kopf und meint dann etwas kleinlaut: „Natürlich hast nur Du hier etwas zu sagen, Papa. -- aber, - wenn ich eine richtige Pistole hätte...“
© Horst Rehmann