Böse Überraschung
Drei Stunden früher als gewöhnlich kommt ein Polizist vom Nachtdienst nach Hause. Er schliesst die Tür leise auf, zieht seine Schuhe aus um seine Frau nicht zu wecken und schleicht in Richtung Schlafzimmer. Seine Frau, die ihn längst gehört hat und in aller Eile versucht ihren Liebhaber zu verstecken; es aber nicht schafft, bevor die Tür aufspringt, ruft mit zitternder, klagender Stimme: "Liebling, ich habe solche entsetzlichen Kopfschmerzen, mach bitte kein Licht an!"
Der rücksichtsvolle, einfühlsame Ehemann gehorcht natürlich, entkleidet sich im Dunkeln und will ins Bett steigen. Vor Angst, dass es eine böse Überraschung geben könnte, wimmert die Ehefrau erneut: "Mein Schatz, bitte komm noch nicht ins Bett, lauf noch schnell zur Apotheke und hol mir ein paar starke Kopfschmerztabletten!"
Der brave Polizist zieht sich im Dunkeln wieder an, tastet sich bis zur Haustür und läuft los.
In der Apotheke angekommen, äussert er seinen Wunsch und wundert sich über das seltsame Anstarren des Apothekers. "Kennen Sie mich nicht mehr, oder warum begutachten Sie mich so von oben bis unten, ich wohne doch nur ein paar Häuser von hier entfernt."
Trotz dieser Worte bleibt der entgeisterte Blick des Apothekers unverändert, als er erwidert: "Natürlich kenne ich Sie. Sie sind der Polizist Sebastian Schulte von Hausnummer neunundzwanzig:"
"Na, bitte", kommt die forsche Antwort, "und warum starren Sie mich dann so an?"
Der Apotheker tritt einen Schritt zurück bevor er bedächtig stammelnd antwortet: "Ich, ich frage mich nur, warum ein Polizist in der Uniform eines Briefträgers herumläuft."
© Horst Rehmann