Nächtlicher Lieferservice
Es ist schon weit nach Mitternacht, als das Telefon bei einem schon etwas betagtem Gemeindepfarrer klingelt. Aus seinen schönsten Träumen gerissen, springt der alte Mann aus dem Bett, streift sich eilig einen Morgenmantel über, zieht seine Pantoffeln an und rennt in sein Büro. Schnaufend drückt er, mit einem „Hallo“ rufend, den Hörer ans Ohr.
Am anderen Leitungsende meldet sich eine weibliche, leicht lallende Stimme: „Bin ich da richtig beim Lieferservice der Gaststätte Schwarzer Adler ?“
Der Pfarrer will gerade antworten, als er jäh unterbrochen wird.
„Bringen Sie bitte zwei Kästen Bier und vier Flaschen Rotwein in die Laubengasse achtzehn, zu Mertens.“
Schlaftrunken und kräftig gähnend, trotzdem aber höflich, erwidert der Pfarrer: „Es tut mir furchtbar leid, aber bei mir bekommen Sie kein Bier und auch keinen Wein, hier ist auch nicht der Lieferservice vom Schwarzen Adler, hier ist Ihr Gemeindepfarrer, Pfarrer Lukas.“
Eine geraume Zeit herrscht völlige Stille am Telefon. Die trunkene Person am anderen Ende hat offenbar nur die Hälfte verstanden. Nach einem kurzen Räusperer keif sie dann zynisch und mit spitzer Zunge zurück: „So, so, so, das ist ja interessant, unser Pfarrer Lukas, der Mann, der den Alkoholgenuss verabscheut und verteufelt --- können Sie mir mal sagen, was Sie um diese Uhrzeit noch in einer Kneipe suchen ?!“
© Horst Rehmann